Kein Entrinnen
Der digitale Identitätsnachweis ID Austria soll unsere Amtswege erleichtern. Mit Ende 2026 muss laut EU-Verordnung jeder europäische Staat seinen Bürgern die Möglichkeit des digitalen Ausweises anbieten. Dabei darf es laut Gesetz keinen Zwang geben. Doch seit März diesen Jahres sind Lehrer bestimmter Sparten in Österreich dazu verpflichtet. Und dabei wird es nicht bleiben, warnt einer der wenigen kritischen Datenschützer.
„Es gibt zu wenige Lehrer. Wollen die uns raushauen? Die Muskeln muss ein Arbeitgeber einmal haben!“, ruft ein Lehrer aus dem Publikum. Die Stimmung beim Infoabend der Liste Madeleine Petrovic am 11. Februar zum ID-Austria-Zwang für AHS- und BHS-Lehrer ist angespannt bis zornig. Ab 1. März sollen die Lehrerinnen und Lehrer dieser Zweige zur Nutzung der ID Austria verpflichtet werden, damit sie weiterhin in die für sie wesentliche Schulsoftware „Sokrates“ einsteigen können. Mit „Sokrates“ erledigen sie sämtliche Verwaltungstätigkeiten – vom Noteneintrag bis zum Lohnzettel. Viele ergeben sich dieser Vorschrift, wenn auch mit Unbehagen, wie kritische Lehrer der Autorin erzählen. Aber es gibt eine Minderheit, die das nicht akzeptieren will und aktiv Widerstand leistet. Auch Andrea (Name von der Redaktion geändert) gehört dazu. Sie ist im Sekretariat einer Schule angestellt und muss die ID Austria ebenfalls ab 1. März verwenden. Sie hat deshalb zwei Protestschreiben an die Bildungsdirektion gerichtet, die formell ihr Arbeitgeber ist: „Ich habe darin betont, dass es mein freier Wille ist, die ID Austria nicht in Anspruch zu nehmen.“
Die ID Austria ist ein digitaler Ausweis, der in Zukunft alle anderen Ausweise, bis auf den Pass, ersetzen soll. Es werden alle Datenbanken miteinander verknüpft. Das heißt, über die ID Austria haben Bürger dann Zugriff auf die Gesundheitsakte ELGA, auf ihren Führerschein, Meldezettel, das Finanzamt, das Firmenbuch, als Student auf die Zeugnisse, als Selbstständiger und Unternehmer auf das Konto der Sozialversicherung und auf das Bankkonto; sie können online Verträge abschließen oder Konten eröffnen. Zur erstmaligen Anmeldung und künftigen Signierung von amtlichen Dokumenten und dergleichen braucht man ein Smartphone, das als Funktion Gesichtserkennung oder Fingerabdruck verarbeiten und speichern kann. Mit Ende 2026 müssen alle möglichen Behörden und Institutionen in der EU diese Form der digitalen Ausweisung akzeptieren. Das heißt, man muss dann auch nicht mehr persönlich irgendwo erscheinen, um sich auszuweisen, sondern es reicht die ID Austria.
Die widerständigen Lehrer sind gegen die ID Austria, weil sie dem Staat keinen gebündelten Zugriff auf all ihre persönlichen Daten gewähren wollen. Sie befürchten Missbrauch und Totalüberwachung. Auch Andrea hat diese Angst: „Wenn ich in das System einsteige, um meine Arbeit zu erledigen, dann ist ja ersichtlich, wann ich einsteige, wie oft und wie lange ich im System bin. Wenn ich dann zwei Tage nicht drinnen bin, frage ich mich: Wird dann bei der Krankenkasse nachgesehen, ob ich im Krankenstand bin oder nicht? Man wird zum gläsernen Menschen, den schon Udo Jürgens besungen hat.“
Datenschutzexperte Georg Markus Kainz vom Verein „quintessenz“, der regelmäßig den „Big Brother Award“ verleiht, sieht diese Ängste durchaus berechtigt …
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